Die Insel der Aphrodite ist nicht nur eine der sonnenreichsten Regionen Europas. Zypern ist auch ein Schmelztiegel der Kulturen, der voller Geschichte steckt.
Mehr als 2.500 Jahre sind sie alt, Hesiods Schriften über die Liebesgöttin Aphrodite. Die „Schaumgeborene“ soll einst an einem Strand auf Zypern dem Mittelmeer entstiegen sein. Genau dort, in Kouklia, ziehen heute zahlreiche Schwimmer ihre Bahnen. „Der Legende nach wird man mit ewiger Liebe und Jugend belohnt, wenn man den großen Felsen im Wasser drei Mal umrundet“, erzählt Reiseführerin Nikki und blickt grinsend aufs Meer.
Die untergehende Sonne wirft einen rosafarbenen Schimmer über den Küstenabschnitt, der nicht nur auf Touristen, sondern auch auf die Einheimischen große Anziehungskraft hat. Denn Brauchtümer und Rituale gehören für die Zyprioten ebenso zum Alltag wie Olivenöl, Halloumi und Soutzoukos.
Bezaubernde Natur
Besonders im Südwesten Zyperns dreht sich alles um die schöne Aphrodite. 60 Kilometer nördlich ihres Geburtsortes, auf der Halbinsel Akamas, befindet sich eine weitere wichtige Kulisse des Göttinnen-Mythos: eine kleine Grotte im Schatten eines Feigenbaumes, dessen Äste mit den bemoosten Steinwänden verwoben scheinen. Quellwasser läuft den Felsen hinab und sammelt sich in einem Wasserbecken. Hier soll die Göttin gebadet haben, als sie den Jüngling Adonis erblickte und sich in ihn verliebte. Die beiden wurden ein Paar, obwohl Aphrodite verheiratet war.
Der Quelle werden, wie könnte es anders sein, magische Kräfte nachgesagt. „Aber bitte springen sie nicht ins Wasser und trinken sie nicht davon, das ist verboten“, werden wir mit einem Fingerzeig auf mehrere Hinweisschilder gewarnt. Während einige Besucher ihr Gesicht mit dem Wasser benetzen, erzählt die Reiseführerin vom tragischen Ende der Liaison: „Der eifersüchtige Kriegsgott Ares verwandelte sich in einen Eber und tötete Adonis bei der Jagd.“
Dennoch ist das Paar miteinander verbunden geblieben – zumindest symbolisch über die zwei Rundwanderwege Aphrodite und Adonis, die nahe der Quelle starten und abschnittsweise zusammentreffen. Beide Strecken bieten wunderbare Ausblicke auf die Landschaft des Naturschutzgebiets Akamas. Mit seinen bezaubernden Buchten, die von dunklen Felsformationen durchzogen sind, ist der Ort außerdem eine gute Adresse für einen entspannten Badetag am Meer.
Fernab aller Legenden
Während der Hype um den Felsen und das Bad der Aphrodite von Mythen getragen wird, sind es historische Funde, die Paphos berühmt gemacht haben. In der zypriotischen Hafenstadt befindet sich ein riesiges Areal mit all den archäologischen Schätzen, die in den vergangenen Jahren ans Tageslicht befördert wurden.
Besonders beeindruckend sind die immer noch farbenfrohen Bodenmosaike römischer Villen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Dass sie heute noch so gut erhalten sind, ist einem speziellen Pulver aus Neapel zu verdanken, das damals mit eingearbeitet wurde und für die nötige Elastizität sorgt. Was die Mosaike zeigen, ist wiederum ein Ausflug in die Sagenwelt: Die Bildnisse erzählen Geschichten über Zeus, Dyonisos, Aeion und Theseus.
Objekt der Begierde
Überreste aus vergangenen Zeiten sind auf Zypern so vielseitig wie die bewegte Geschichte der Insel, die aufgrund ihrer strategisch günstigen Lage zahlreiche Völker kommen und gehen sah.
Im 14. Jahrhundert vor Christus kamen die ersten Griechen, die Sprache und Religion prägten. Jahrhundertelang gehörte Zypern zu Byzanz, bevor Franken, Venezianer, Türken sowie Briten herrschten. 1960 wurde die Insel zur Unabhängigen Republik. Stille Zeitzeugen der Multikulti-Vergangenheit sind Grabstätten, Tempel, Theater, Kirchen, Klöster und Burgen. Und zwar in einer solchen Fülle, dass ein Urlaub kaum ausreicht, um sie alle zu besichtigen. „Ich habe mir das einmal durchgerechnet. Wenn man mit dem Auto jeden Tag mehrere Punkte abfährt, schafft man es, die Insel in drei Wochen zu erkunden“, meint Nikki. Da sind die Wanderausflüge ins waldreiche Troodos-Gebirge und zum höchsten Berg der Insel, dem Olymp, gar nicht miteingerechnet.
Flucht in den Süden
Nikki selbst entdeckt immer wieder neue Orte, vor allem im türkisch besetzten Norden. Die Grenze ist zwar seit 2003 wieder geöffnet, doch für zahlreiche griechische Zyprioten gestaltet sich der Gang über die „Grüne Linie“ schwierig. Zu viele Emotionen, Erinnerungen an die ehemalige Heimat, an gewaltsame Vertreibungen.
Auch Nikki hat es anfangs Überwindung gekostet, den türkischen Teil der Insel zu betreten. Ihre Familie musste flüchten, als sie sechs Jahre alt war. „Wir waren gerade bei einer Taufe, als plötzlich die Kirche zu beben begann. Wir sind nach Hause gerannt und ich habe mich mit meiner Schwester unter dem Bett versteckt. Zum Glück war unser Haus etwas außerhalb gelegen, denn im Dorfzentrum sind schreckliche Dinge passiert.“ Als die Panzer anrollten, rettete sich Nikkis Familie in den Süden – so wie etwa 160.000 weitere Zyprioten. „Wir sind in einer riesigen Autokolonne – teilweise unter Beschuss – ins Troodos-Gebirge gefahren und wurden dort bei Freunden aufgenommen.“ Auch 70.000 zypriotische Türken verloren ihre Heimat, sie mussten in den Norden fliehen.
Ihr Geburtshaus hat Nikki inzwischen wieder besucht. „Die türkische Familie, die jetzt dort lebt, hat mir sogar alte Fotos überreicht, die wir damals zurücklassen mussten.“
Hoffnung auf Wiedervereinigung
Als wir mit ihr durch die Grenzzone von Zyperns geteilter Hauptstadt Nikosia gehen, erzählt sie, wie sich die Gegend seit dem Konflikt 1974 verändert hat. Früher belebte Viertel wirken wie ausgestorben. Mit Mauern und Stacheldraht durchschneidet die „Grüne Linie“ die Straßen. In Wachtürmen behalten UN-Friedenssoldaten alles im Auge. Das mulmige Gefühl hält aber nur kurz an. Auch, weil beim Checkpoint in der Ledrastraße alles ruhig und routiniert abläuft. Einmal in der Schlange anstellen, Pass vorzeigen, weitergehen – schon ist man in einer anderen Welt.
Hier zahlt man nicht mehr mit Euro, sondern mit türkischen Lira. Typisch europäische Restaurants und Cafés weichen Basarständen. Statt Kirchenglocken hört man den Ruf des Muezzin. Die christliche Vergangenheit ist dennoch allgegenwärtig – etwa in der ehemaligen Sophien-Kathedrale, die zur Moschee umgestaltet wurde. Der gotische Prachtbau hat zwar all seine Verzierungen und die bunten Fenster verloren, an einer der Säulen ist aber noch ein verblasstes Kreuz erkennbar.
Nach einem Kaffee in der Karawanserei und Geschichten über Geisterorte in der seit 40 Jahren gesperrten Pufferzone geht es wieder zurück zum Checkpoint. Nikki macht keinen Hehl daraus, was sie von der Trennung zwischen Nord und Süd hält: „So viele Jahre haben alle, ob griechische oder türkische Zyprioten, friedlich zusammengelebt. Ich wünsche mir das von Herzen zurück.“
Ausflugs-Tipps für Zypern
- Totenstadt
Nicht unweit vom Archäologischen Park Paphos entfernt liegen die unterirdischen „Königsräber“. Sie stammen aus der hellenistischen und frühen römischen Epoche. Anders als ihr Name besagt, handelt es sich dabei um Gräber von hochrangigen Amtsträgern und Aristokraten.
- Paulussäule
Die Kirche der Panagia Chrysopolitissa in Paphos wurde im 13. Jahrhundert auf den Ruinen der größten frühbyzantinischen Basilika von Zypern errichtet. In der Anlage befindet sich die Paulussäule. An ihr soll Apostel Paulus einer Legende nach vom römischen Statthalter Sergius Paulus ausgepeitscht worden sein, bevor dieser zum Christentum konvertierte.
- Kykkos-Kloster
Im Troodos-Gebirge, auf rund 1.300 Meter Höhe, befindet sich das bekannteste Kloster von Zypern. Es ist der Heiligen Jungfrau Maria geweiht, mit neuzeitlichen Wandmalereien und Heiligenbildern geschmückt und beherbergt eine von drei Ikonen, die dem Evangelisten und Apostel Lukas zugeschrieben werden.
- Mausoleum
Bei einem Ausflug zum Kykkos-Kloster bietet sich ein Abstecher zum Berg Throni an, wo der erste Präsident von Zypern, Erzbischof Makarios III., bestattet wurde. Ein mit Ikonen gesäumter Weg führt zum reich verzierten Mausoleum, das durchgängig bewacht wird. Inklusive wunderbarer Aussicht auf die Berglandschaft.
- Wein in Omodos
In eine malerische Weinlanschaft eingebettet liegt Omodos, das traditionellste Dorf in der Region Krasochoria. Es ist berühmt für seinen Wein und den Tresterbrand Zivania. Empfehlenswert: Das Ktima Gerolemo Weingut.
- Fisch in Latchi
Latchi ist berühmt für seinen frischen Frisch, der aus den Fischernetzen direkt in den Küchen der Strandtavernen landet. Dort lassen sich auch die Einheimischen gerne die inseltypischen Gerichte schmecken. Tipp: die Psaropoulos Taverne.