Südfrankreich: Stressfrei auf Kurs

Auf Saône und Rhône von Burgund bis zur Provence: Südfrankreich über den Wasserweg zu erkunden, hat ­einen ganz eigenen Charme.

Alles dreht sich um l’amour, auch 400 Kilometer südöstlich von Paris. Dort vereinigen sich die beiden Flüsse Rhône und Saône – sie heiraten, wie die Franzosen sagen – und prägen das gesamte Landschaftsbild. Mittelalterliche Dörfer mit romantischen Gässchen, Brücken und Stegen, weitläufige ­Weinanbaugebiete, Teiche und Seen, Klöster und Schlösser, Wiesen und Wälder: Eine Kreuzfahrt ist definitiv die komfortabelste Art, das Gebiet zwischen Burgund und Provence zu entdecken.

Hügel und Städtchen

Wir kommen auf der MS Thurgau Rhône in den Genuss. Dass der Veranstalter sein Motto „Der Weg ist das Ziel“ bestrebt umsetzt, fällt schon kurz nach der Einschiffung in Lyon auf. Das Interieur des Kreuzers ist an den Jugendstil angelehnt, wirkt edel und doch gemütlich. Die Kabine ist mit einem französischen Balkon ausgestattet und ermöglicht einen hervorragenden Blick auf die vorüberziehenden Hügel und Städtchen, deren bunte Lichter sich nachts an der Wasseroberfläche spiegeln. Die Crewmitglieder sind überaus bemüht, von der Rezeptionistin über den Kellner bis hin zum Kapitän. Und schließlich überzeugt auch das Restaurant mit sehr guter europäischer Küche.

Für das Wohlbefinden an Bord sorgen außerdem ein Whirlpool auf dem Sonnendeck, eine Bistro-Bar mit Bibliothek und Internet-Corner sowie ein kleiner Wellnessbereich. Von uns bleiben diese Bereiche allerdings ungenutzt – freuen wir uns nach dem täglichen Ausflugsprogramm doch stets auf das bequeme Bett inklusive Aussicht. Wann hat man denn sonst die Gelegenheit, Fahrtwege aus dieser Perspektive, völlig entspannt, zurückzulegen?

Reich der Mönche

„Wir sind die Saône 80 Kilometer entlanggefahren und haben heute Morgen in Mâcon angelegt“, tönt es nach dem ersten Frühstück aus den Kabinenlautsprechern. „Machen Sie sich bereit, in 20 Minuten geht es mit dem Bus nach Cluny. Und vergessen Sie Ihr ,Grätli‘ nicht!“ Woran unser Reiseleiter mit Schweizer Wurzeln vor jedem Ausflug erinnert, ist ein praktischer Begleiter: ein Audio-Set, mit dem man die Tour Guides auch noch bei lauten Umgebungsgeräuschen oder größeren Entfernungen hören kann. Wer kurz bei der einen oder anderen Sehenswürdigkeit hängen bleibt, verpasst also nichts. Das wissen wir besonders in Cluny zu schätzen.

Der von Weinbergen und Feldern umschlungene Ort war vor rund 1.000 Jahren das geistliche Zentrum Europas – mit einer mächtigen, 220 Meter langen Klosterkirche. Bis zum Bau des Petersdoms im Jahr 1506 war „Cluny III“ die größte Kathedrale der westlichen Christenheit. Ende des 18. Jahrhunderts fiel sie schließlich der Französischen Revolution zum Opfer und wurde verkauft. Bauunternehmer sprengten die Benediktiner-Abtei, um die Steine weiterzuverwenden. Dennoch lassen sich auch heute noch faszinierende Spuren aus dem mönchischen Imperium finden. Der Südarm des Kirchenquerschiffs sowie einige Grundmauern blieben erhalten, ebenso Stümpfe von mächtigen Pfeilern und verzierte Kapitelle. Modelle aus Holz machen die gigantischen Ausmaße des mittelalterlichen Bauwerks deutlich.

Nicht nur historisch, vor allem auch für Weinliebhaber hat Burgund einiges zu bieten. In der Region um Cluny werden hochqualitative Tropfen aus den vier Rebsorten Pinot noir, Gamay, Aligoté sowie Chardonnay hergestellt. Eine Verkostung ist da fast schon Pflicht. Wir kommen im Château Pierreclos auf den Geschmack, bevor es für das Mittagessen zurück an Bord geht. Danach bleibt noch genügend Zeit, um die Umgebung Mâcons auf eigene Faust zu erkunden: etwa die Kirche Saint-­Pierre, die achteckigen Türme des Vieux Saint-Vincent oder das Renaissance-Holzhaus auf dem Place aux Herbes.

Apropos individuell erkunden: Wer Neues am liebsten abseits geführter Touren entdeckt, kann das Ausflugsprogramm generell auslassen. Der Reiseleiter und die Crew geben bereitwillig Auskünfte.

Spuren der Römer

Am späten Nachmittag bahnt sich das Schiff seinen Weg zurück zum Startpunkt der Reise: Lyon. Die vielseitigen Einflüsse auf die Stadt sind bis heute erkennbar – von der ­Besiedlung durch die Römer 43 v. Chr. bis hin zur Hochblüte des Seidenhandels zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. Zum Beispiel hoch oben auf dem Berg Fourvière, auf dem sich zwei römische Theater befinden. Oder in der Altstadt mit ihren engen Gassen, Gängen und Innenhöfen, in denen die Seidenweber früher ihre Tücher trockneten.

Wer bis dahin noch nicht ins Staunen gekommen ist, wird spätestens beim Anblick der prachtvollen Basilika Notre-Dame de Fourvière mitgerissen. All ihre Wände, Säulenkapitelle, Bögen, Gewölbe, Friese und Simse sind mit aufwendigen Verzierungen, Mosaiken, Malereien und Figuren versehen. Atemberaubend ist aber auch die Aussichtsplattform neben der romanisch-byzantinischen Kirche, die eine tolle Aussicht über die Stadt bietet.

Die „Drei Musketiere“

Ungefähr 30 Kilometer nordöstlich von Lyon entfernt liegt Pérouges. Die mittelalterliche Gemeinde wurde originalgetreu restauriert und zählt zu den schönsten Dörfern Frankreichs. Sie war sogar Filmkulisse für die „Drei Musketiere“. Straßen aus Kopfsteinpflaster, kunstvoll gestaltete Hausfas­saden, eine Kirche aus dem 15. Jahrhundert, hübsche Gärten, Restaurants und kleine Geschäfte sorgen für das besondere Flair.

„Das ist einer Restaurierungsoffensive in den 1910er- und 1920er-Jahren zu verdanken. Damals ­waren die Häuser bereits einsturzgefährdet“, erzählt die ­Reiseführerin. Zu empfehlen ist hier eine ­lokale Spezialität: la galette de Pérouges, ein flacher Kuchen aus Briocheteig, der optisch einer Pizza ähnelt. Köstlich!

Schließlich geht es auf der Rhône in Richtung Provence. Zu den weiteren Stationen zählen Tournon, Viviers, Arles und Avignon, die Stadt der Päpste mit ihrer berühmten Brücke.

Einfach abschalten

Alles in allem bleibt uns die Flusskreuzfahrt als besonders entspannte Rundreise in Erinnerung – und das liegt nicht nur daran, dass die Fahrtwege auf so angenehme Art und Weise zurückgelegt werden. Auch die gesamte Organisation unbekümmert in qualifizierte Hände legen zu können, trägt dazu bei. Insofern war der Weg vielleicht nicht unbedingt das Ziel, aber mit Sicherheit der entscheidende Faktor in Sachen Stressfreiheit.

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